Festrede 24. Oktober 2024: 120 Jahre Österreichischer Flottenverein, 100 Jahre Marineverband Wien
Der Aufstieg Österreichs zu einer seegehenden Macht begann zwar schon im Jahre 1382, als sich die Stadt Triest unter der erdrückenden Vormachtstellung der Seerepublik Venedigs unter dem Schutz der Habsburger stellte. Es sollten jedoch mehr als 300 Jahre vergehen, bis unter Kaiser Karl VI. tatsächlich die ersten Aktivitäten erfolgt sind: Als Ergebnis des Spanischen Erbfolgekrieges erhielt Österreich die “Spanischen Niederlande” und die “spanischen Besitztümer in Italien”, darunter auch das Königreich Neapel mit seiner Flotte. Es wurden 1719 Triest und Fiume zu Freihäfen, die Häfen Buccari und Porto Re ausgebaut, erste Arsenale geschaffen, die Straßenverbindung über den Semmering nach Triest (aus-)gebaut und eine erste Handelsgesellschaft gegründet.
In Folge des polnischen Erbfolgekriegs musste der Rest der noch intakten neapolitanischen Flotte nach Triest flüchten, der nachfolgende Verlust Süd-Italiens erzwangt eine Neuordnung der Marineagenden durch den Wiener Hof. Im August 1734 sowie Mai 1735 wurden auf Marinekonferenzen in Laxenburg die Weichen für die Zukunft gestellt: Die Marine wurde dem Hofkriegsrat unterstellt. Diese ambitionierten Vorhaben Kaiser Karl VI. mussten aber wieder aufgegeben werden, um einerseits die Pragmatische Sanktion international durchsetzen zu können, andererseits musste diese junge Marine infolge der wieder aufflackerten Türkenkriege ihre Mannschaften und Ausrüstung an die Donauflottille abgeben.
Erst unter der Regentschaft von Joseph II. kommt es im Oktober 1786 zu einem Neustart: Mit zwei in Ostende erworbenen Kutter wird die Basis für eine Kriegsmarine begründet. Selbiger Monarch führte auch die rot-weiß-rote Kriegsflagge mit Binden-Schild und der erzherzoglichen Krone ein. Trat Österreich nach dem 3. Koalitionskrieg kurzfristig das Erbe der Seremissima an, so brachte erst der Wiener Kongress eine erste Kontinuität in dieser Entwicklung: Mit der späteren Errichtung des neuen Kriegshafens in Pola und der Einführung von Deutsch als Dienstsprache gab es nun eine stabile Ausgangsbasis für eine Österreichischen Kriegsmarine.
Gegen Ende des 19. Jahrhunderts gab es eine rasante und beeindruckende technische Entwicklung, vor allem im Schiffsbau und deren Bewaffnung, die Marine galt stets als “Speerspitze” des technischen Fortschritts: Baute man im Arsenal zu Pola noch Holzschiffe (Stapellauf SMS Kaiser 1858), so sind wir rund 50 Jahre später nun im Zeitalter der Torpedos, Seeflieger, U-Boote und der modernen Schlachtschiffe. Das damals politische Dogma war, dass Macht, Einfluss und Prestige einer Nation vorwiegend von der Stärke seiner Kriegsflotte abhängen In diesem Umfeld setzt nicht nur ein maritimes Wettrüsten ein, parallel dazu wurden nun in vielen Großmächten Vereine gegründet, die sich eine Förderung der nationalen Seefahrt, der jeweiligen Kriegsflotte und Handelsmarine zum Ziel gesetzt hatten. So wurde im Jahre 1904 wurde der “Verein zur Förderung der österreichischen Schifffahrt – Österreichischer Flottenverein” gegründet, der in Laufe seiner kurzen Geschichte zahlreiche Aktivitäten und Initiativen setzen konnte, um für die Notwendigkeit und das Verständnis einer starken Handel- und Kriegsmarine in der breiten Masse der Bevölkerung zu werben. Der Untergang der Doppelmonarchie und der Verlust der Flotte besiegelte schließlich auch das Ende des Flottenvereins – fünfzehn Jahre nach Gründung fand die letzte ordentliche Generalversammlung statt, nach mehrmaliger Änderung des Vereinsnamens musste der Vereinsbetrieb schließlich 1927 eingestellt werden.
Das Ende und der Zerfall der Habsburgermonarchie, die Auflösung seiner letzten Strukturen bedingte im Jahre 1924 wiederum die Gründung des Marine-Verbands: Hier stand die gegenseitige Hilfe in wirtschaftlichen schlechten Zeiten und die Aufrechterhaltung persönlicher Kontakte im Vordergrund. Gründungsmitglieder waren ehem. Offiziere der k.u.k. Kriegsmarine. Sie haben die Räumlichkeiten im Jahre 1927 vom ehem. Flottenverein übernommen und in den ersten Vereinsjahren die Geschichte der Kriegsmarine aufgearbeitet und ihrer Marine im Jahre 1932 ein Denkmal in der Wiener Michaelerkirche errichtet. Nur 14 Jahre nach Gründung wurde der Marine-Verband im Jahre 1938 als eigene Rechtspersönlichkeit im Vereinskataster gelöscht und als „Marine Landesverband Donau-Inn-Drau“ in den “NS Deutschen Marinebund” eingegliedert. Unmittelbar nach Kriegsende erfolgte die Wiederaufnahme der Vereinstätigkeit, der Verein als “Gesellschaft der Freunde der Seefahrt” wiedergegründet - der Name “Marine-Verband” wurde von den Alliierten abgelehnt. Die Umbenennung in “Marine-Verband” erfolgte erst im Jahre 1956. Vierzehn Jahre später findet in Wien 1970 die konstituierende Sitzung des “Österreichischen Marineverband” statt: Ein Dachverband soll die verstreuten Marine-Kameradschaften vereinigen, der “Marine-Verband” nennt sich seitdem “Marineverband Wien”.
Mögen die beiden doch sehr unterschiedlichen Gründungsmotive von Österreichischer Flottenverein und Marine-Verband manchen als Widerspruch erscheinen, so sind sie heute ein wesentlicher Bestandteil unserer langen und bewegten Vereinsgeschichte und kein Widerspruch: Als Verein wollen wir nicht nur das historische Erbe bewahren, sondern fördern weiterhin den Binnen- und See-Schifffahrtsgedanken und unterstützen darüber hinaus alle Forschenden.
Das Interesse an Österreichs maritimer Vergangenheit ist nach wie vor vorhanden und wir sind stolz, unsere Gäste und künftigen Mitglieder in unserem einzigartigen Salon begrüßen zu dürfen, der noch Exponate aus der Zeit des Österreichischen Flottenvereins enthält!
Ad multos annos!
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